Eine musikalische Familie
Karl Anton beispielsweise und seine Frau Josephine, eine Schwester des belgischen Königs, liebten nicht nur Händel, Beethoven und Chopin, sondern spielten auch sehr gut Klavier und sorgten dafür, dass ihre drei Kinder, Stephanie, Marie-Antoinette und Albrecht, früh Musikunterricht erhielten. Gemeinsam mit ihrer Mutter veranstalteten die Kinder kleine Hauskonzerte, auch für Verwundete während des Ersten Weltkriegs. Da hatte Josephine den noch jungen Spiegelsaal der Burg, den Karl Anton nach Plänen des Andernacher Architekten Clemens Kroth zusammen mit zwei Ecktürmen an den Nordwestflügel hatte anbauen lassen, zum Lazarett umfunktioniert. Für die belgische Prinzessin, die während des Kriegs hin- und hergerissen war zwischen ihrer Liebe zu ihrem Vaterland Belgien und der Sorge um ihren Mann, der als General auf deutscher Seite kämpfte, war die Musik auch immer wieder eine Quelle des Trostes.
Albrecht Prinz von Hohenzollern
Das musikalisch talentierteste ihrer Kinder war zweifelsohne Albrecht Prinz von Hohenzollern, der nach dem Tod des Vaters 1919 die Burg übernahm. Der 1898 in Potsdam Geborene war nicht nur leidenschaftlicher Landwirt (!), sondern auch ein begabter Komponist und Geiger. Von seiner „vaterländischen“ Kantate op. 8, „Deutschlands Morgenrot: Du deutsches Volk, nun danke Gott,“ für gemischten Chor, Streichorchester, Klavier, Pauke, kleine Trommel und Bläser ad libitum zu einem Text von Paul Kassel-Andernach, die 1934 erschien, abgesehen schrieb Albrecht auch anspruchsvolle Kammermusik. Zu seinen Werken zählen Streichquartette, ein Klaviertrio und mehrere Liederzyklen nach Texten u. a. von Justinus Kerner, Theodor Storm, Christian Morgenstern und Heinrich Heine.
In seinen Lebenserinnerungen, die 1998, 21 Jahre nach seinem Tod und zu seinem 100. Geburtstag, unter dem seine wichtigsten Pole im Leben zusammenfassenden Titel „Weizen im Geigenkasten“ veröffentlicht wurden, erwähnt Albrecht auch mehrfach Begegnungen mit den musikalischen Größen der Zeit wie Hans Pfitzner, Max Reger und Richard Strauss.
Godehard Prinz von Hohenzollern
Ein Hort der Musik bleibt Namedy auch, als Godehard Prinz von Hohenzollern, der jüngste, 1939 geborene Sohn Albrechts und seiner Frau Ilse Margot von Friedeburg, 1988 das Anwesen übernimmt. Die Voraussetzungen sind alles andere als optimal. Heide Hansen, Tochter eines Bergwerksdirektors und spätere Ehefrau Godehards, erinnert sich nicht nur an ihre erste Begegnung mit ihrem Schwiegervater, „bei der er immer eine Melodie von Brahms summte“, sondern an den desolaten Zustand vieler Teile der Burg, an Räume ohne Heizung und Elektrizität. Durch die Decke des Spiegelsaals wucherten bereits Bäume. „Der war noch dazu mit allem möglichen alten Gerümpel zugemüllt.“ Dauerhaft hier zu leben schien nahezu unmöglich, nach der Hochzeit blieb das junge Paar zunächst in München, mit seinem reichen Konzertangebot ein ideales Pflaster für passionierte Musikliebhaber wie Heide und Godehard.
Neustart in Namedy
Als sich nach dem Tod von Albrechts Ehefrau das Problem Burg nicht mehr leugnen ließ, zog Prinzessin Heide mit ihren beiden Kindern nach Namedy und machte sich selbst an die Arbeit. Ihr Mann Godehard, der bei einer Münchner Bank arbeitete, kam an den Wochenenden zum unzählige Container füllenden Entrümpeln. Eigentlich sollte die Burg verkauft werden. „Aber als Godehard dann erst einmal den Spiegelsaal leergeräumt sah und merkte, wie gut die Akustik hier war, wollte er zumindest einmal ein Konzert darin veranstalten“, erzählt die Prinzessin. Das Konzert verlief so gut, dass der damalige Andernacher Oberbürgermeister Gerold Küffmann mit dem Prinzen die Idee ausbrütete, ein Musikfestival in der Burg zu etablieren. Und als die Hohenzollerns bei einer Reise nach England mit dem befreundeten Stargeiger Yehudi Menuhin zusammentrafen und der sich bereit erklärte, die Schirmherrschaft für das Festival zu übernehmen, schlug die Geburtsstunde der „Andernacher Musiktage“.
Die Andernacher Musiktage
Das kleine, feine Festival ist auch heute noch, 18 Jahre nach dem plötzlichen Tod von Prinz Godehard, ein wichtiges Standbein im abwechslungsreichen Veranstaltungsprogramm von Burg Namedy, dank des Engagements von Heide von Hohenzollern, die seit einiger Zeit von ihrer Tochter Anna unterstützt wird. Als sie jüngst, bei der Eröffnung der 29. „Andernacher Musiktage“, die wieder von der amerikanischen Pianistin Nina Tichman als künstlerischer Leiterin betreut wurden und mit einem der besten Streichquartette weltweit, dem Quarteto Casals, aufwarteten, mit fast versagender Stimme gestand: „Es ist schon ein großes Glück, in dieser Burg leben und arbeiten zu dürfen“, da glaubte man ihr das unbesehen. Allen Sorgen um die bevorstehende Sanierung des Daches zum Trotz. Auch davon wird sich „Husch“, wie sie ihre Freunde nennen, nicht unterkriegen lassen.
Mehr zu den Veranstaltungen in der Burg unter www.burg-namedy.com
Bildquelle: Wolkenkratzer [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons