Laut einer neuen Studie japanischer Forscher überlebt das Coronavirus etwa fünf Mal so lange auf der Haut wie das Grippevirus. Doch was ist wirklich dran an den neuen Erkenntnissen?
Es heißt, Grippeviren können 1,8 Stunden auf der Haut überleben, die Covid-19 Viren hingegen ganze 9 Stunden. Durch das Desinfizieren können sowohl Corona- als auch Grippeviren innerhalb von 15 Sekunden abgetötet werden. Nichts desto trotz ist häufiges und vor allem richtiges Händewaschen wichtig, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen.
Um diese Studie besser zu verstehen, haben wir eine Expertin von LTS nach ihrer fachlichen Meinung gefragt und folgende Antwort erhalten.
Was sagt die Expertin dazu?
Vorab: Wissenschaftlich betrachtet ist die Studie solide durchgeführt worden.
Das verwendete Hautmodell wurde, laut unserer Expertin, gut durchdacht. Es wurde frische Haut genutzt, das bedeutet, es wurde „Leichenhaut“ verwendet, die nicht älter als 24 Stunden war. Weiterhin wurde die Haut für die Versuchsdauer in einem physiologischem Medium inkubiert. Was heißt das genau? Die Haut wurde von einer Seite mit einer Flüssigkeit benetzt, die der Zusammensetzung des Blutes ähnlich ist, damit man der Realität möglichst nahe kommt.
Inkubationszeit und Temperatur
Auf der anderen Seite gab es aber auch Aspekte bei der Durchführung der Studie, die hinterfragt werden sollten. Zum einen betrug die Inkubationszeit einer Versuchsreihe bis zu 96 Stunden. Dies ist sehr lang, da auch eine frische Haut nach dieser Zeit nicht mehr alle enzymatischen Aktivitäten besitzt, zum Beispiel das Auslösen der Immunantwort.
Zum anderen ist die Temperatur ein Parameter, der die Ergebnisse verzerren könnte. Die verwendete „ex vivo“ Haut wurde bei Versuchsdurchführung nur auf 25°C temperiert, die Hautoberflächentemperatur beträgt aber normalerweise 32° C. Somit ist es wahrscheinlich, dass enzymatische Aktivitäten dadurch verlangsamt oder gehemmt werden. Die Kontrollgruppe, bei denen man Grippeviruslösung in Tröpfchen auf die Hände aufbrachte, wurde zwar in einem Raum bei 25° C „inkubiert“, das ändert aber nicht die Oberflächentemperatur der Haut. Im Endeffekt bedeutet dies, dass bei realen Bedingungen auch das Coronavirus weniger lang nachweisbar hätte sein können.
Wahl des Lösemittels
Ein weiterer Aspekt, der hinterfragt werden kann, ist die Wahl des Lösemittels zur Herstellung der Viruströpfchen. Es wurde für die Studie zum einem ein physiologischer, aber künstlicher Puffer verwendet, zum anderem abgehusteter Schleim (Sputum) der oberen Atemwege von verschiedenen Probanden. Es wäre empfehlenswert gewesen, die Studie auch mit Speichel oder Sekret des Mund-Rachenraumes der Probanden durchzuführen, weil normalerweise bei einer Tröpfcheninfektion die virulente Menge in diesem Sekret übertragen wird. Der Speichel selbst hat neben leicht sauren Eigenschaften auch eine Reihe an spezifischen Enzymen, die sich in ihrer Zusammensetzung von denen des Sputums der oberen Atemwege unterscheiden. Somit wäre der Speichel eine gute Ergänzung gewesen, um die realen Bedingungen im Versuch widerzuspiegeln.
Relativierung der Sichtweise
Zuletzt ist festzustellen, dass in der Studie zum Vergleich nur mit Influenza Typ A Viren getestet wurden – dies ist zwar die häufigste Ursache für eine Grippe, aber auch diejenige mit der kürzesten Halbwertszeit der Viren.
Schlussfolgernd müssen die von der Studie genannten neun Stunden, welche das Coronavirus auf der Haut überleben könnte, nicht unbedingt der Realität entsprechen. Bei näherer Betrachtung der Studie muss der Zeitunterschied bei der Überlebensdauer im Vergleich zu anderen Viren nicht zwangsläufig so groß sein, wie man anhand der Hauptaussage meinen könnte.
Fest steht aber, durch die Einhaltung der Hygieneregeln können wir uns und unsere Mitmenschen vor Krankheiten schützen.
Somit gilt weiterhin:
- immer gründlich die Hände waschen,
- Abstand halten und
- insbesondere im Winter regelmäßig lüften!
Bildquelle: © Gluiki / stock.adobe.com